Geht das? Und fühlt sich das gut an?
Für die meisten Menschen sind Orgasmus und Anspannung untrennbar miteinander verbunden. Viele müssen ihr Becken anspannen, damit sie überhaupt kommen können.
Muss das so sein?
Nein, überhaupt nicht. Ich behaupte sogar, dass die Ekstase viel tiefer geht, wenn wir sie aus der Entspannung heraus entstehen lassen. In diesem Artikel teile ich drei wichtige Schlüssel mit dir, um dir diese neue Art von Orgasmen zu erschliessen.
Um in unserem Ekstase Level auf die nächste Stufe zu kommen, braucht es natürlich für viele von uns erst mal ein Umlernen, welches manchmal mit gewissen Herausforderungen einher geht. Zum Beispiel, dass es in einem ersten Schritt schwieriger sein kann, überhaupt zum Orgasmus zu gelangen. Denn vieles in unserer Sexualität ist Gewohnheit. Oft ist es ein geradezu körperlicher Reflex, dass sich der Körper anspannt, sobald sexuelle Erregung entsteht. Wenn wir diese Anspannung loslassen, kann es direkt bewirken, dass auch die Erregung nachlässt. Darum braucht es von dir in erster Linie Vertrauen und Neugierde, dich auf diesen Erforschungsweg deiner Ekstase zu machen.
Die wichtigsten Unterschiede von ‘Entspannungsorgasmen’ (Eo) und ‘Anspannungsorgasmen’ (Ao)
- Eo dehnen sich im ganzen Körper aus, während Ao vor allem in den Genitalien wahrgenommen werden
- Eo bauen sich langsam auf, Ao haben eine viel steilere Erregungskurve, die schnell auf den Höhepunkt zusteuert
- Eo hinterlassen ein tiefes Gefühl von Erfüllung zurück, während Ao oft schneller abebben und manchmal sogar zu einer gewissen Leere führen können
- Nach Eo haben wir mehr Energie, fühlen uns aufgeladen, während Ao oft einen Energieverlust bewirken
- Eo ‘geschehen uns’, daher sind sie wie ein Geschenk, während Ao oft mit einer gewissen Anstrengung einher gehen
Klingt gut, oder? Dann lasst uns doch erörtern, wie wir uns dieser Erfahrung nähern können.
Schlüssel zu entspannten Orgasmen
Schlüssel #1: Fokus auf Entspannung
Der wohl wichtigste Schlüssel ist, dass du deinen Fokus während der Erregung ganz bewusst umlenkst. Es geht nicht mehr darum, deine Erregung zu steigern, sondern darum, dein Entspannungslevel zu erhöhen. Du achtest dich also darauf, deinen Körper und ganz besonders dein Becken zu entspannen, während deine Erregung steigt. Das kann am Anfang ganz schön viel Aufmerksamkeit brauchen, da die Anspannung, wie bereits erwähnt, unbewusst und reflexartig passiert. Erinnere dich also immer wieder daran, dass es jetzt um deine Entspannung geht und lass bewusst los. Nutze deine Atmung als Unterstützung. Ganz tief und regelmässig in dein Becken hinein zu atmen führt automatisch zu einer Entspannung. Denn bei Anspannung atmen wir flach und halten die Atmung manchmal sogar ganz an.
Schlüssel #2: Du musst nichts erreichen
Beim zweiten Schlüssel geht es darum, dass du lernst, deine Lust entstehen zu lassen, anstatt sie aktiv zu pushen. Bei der Selbstliebe behältst du natürlich einen gewissen aktiven Teil bei, während du mit einem Gegenüber komplett ins Loslassen abdriften kannst. Du wirst aber auch mit dir alleine bemerken, dass deine Berührungen sich vielleicht verlangsamen und eine tiefere Ruhe in deinen ganzen Körper kommt. Zudem geht es beim Nichts-Erreichen nicht primär darum, dass du gar nichts mehr machst, sondern darum, dass du deine eigene Lust nicht zu manipulieren versuchst, indem du sie mit Anstrengung steigerst. Das geschieht meistens über Anspannung des Körpers, kann aber auch über angestrengte Atmung oder Bewegung passieren. Lass das alles los und komm in eine tiefe Wahrnehmung deiner momentanen Empfindungen. Nimm wahr, wie sich deine Lust in deinem Körper anfühlt und bewegt. Nimm wahr, ob sie zu- oder abnimmt. Nimm auch wahr, wenn gerade gar keine Lust aus deinem Körper heraus entstehen will und es dein Kopf ist, der dich in die Lust drängt. Das ist nämlich auch ein wichtiger Aspekt dieses Schlüssels, dass du gar nicht immer Orgasmen haben musst. Manchmal ist es viel stimmiger und heilsamer, andere Dinge zu spüren, die gerade präsent in dir sind, vielleicht Trauer oder Wut. Oder auch das wunderbare Gefühl von sanfter Erregung, welche sich wie flüssiges Glück in deinem Körper verteilt. Manchmal reicht das völlig aus.
Und wenn es denn die Lust ist, die stärker werden möchte, so nimm eine wahrnehmende, nicht eingreifende Haltung ein, spür, wie sie sich steigert und geniesse. Lass das Ziel vom Orgasmus los und begleite deine Lust auf jedem Schritt zum Höhepunkt mit deiner Aufmerksamkeit, als wäre es der letzte.
Schlüssel #3: Den ganzen Körper wahrnehmen
Der dritte Schlüssel beschreibt wie der erste eine Umlenkung deiner Aufmerksamkeit. Und zwar weg von deinen Genitalien, hin zu deinem ganzen Körper. Wie geht es deinem grossen Zeh, wenn dein Körper sich in die Ekstase begibt? Wie fühlt sich dein Herz an? Und was geschieht in deinem Kreuz? Wie bewegt sich die Energie durch dich durch? Und was passiert, wenn du mal Pause machst mit der Berührung und einfach nur wahrnimmst?
Wenn du deine Wahrnehmung ausdehnst, dehnt sich damit automatisch auch deine Lust aus. Das führt dazu, dass sie sich weniger in deinen Genitalien anstaut und dadurch schneller entladen muss. Mit der Verteilung deiner Lust in deinem ganzen Körper zögerst du den Orgasmus hinaus und vertiefst und erhöhst gleichzeitig deine Lust. Denn das Gefäss, in welchem sie sich ausdehnen kann, ist grösser und kann daher mehr Lust in sich halten. Und das fühlt sich unvergleichbar ekstatischer an, als wenn sie in den Genitalien eingeschlossen bleibt.
Kleiner Bonus zu diesem Punkt: Wenn du mit deiner Aufmerksamkeit deine Genitalien immer wieder mit deinem Herzen verbindest, also dein Herz sowie die Genitalien-Herz-Verbindung immer wieder bewusst wahrnimmst, so wird sich deine komplette Erfahrung in ein ganz neues Licht tauchen. Du verbindest dich so viel stärker mit dir selbst, verbindest also deine sexuellen Teile mit deinem ganzen Wesen. Auch dies vertieft deine Erfahrung, bringt mehr Lebendigkeit und Authentizität hinein. Achtung: Es kann auch dieser Punkt dazu führen, dass dir in gewissen Momenten bewusst wird, dass in Wirklichkeit gar keine echte Lust vorhanden ist, sondern gerade andere Aspekte in dir wahrgenommen werden möchten. Das gehört dazu und wenn du diesen gebührenden Raum gibst, wirst du sehen, dass dein sexuelles Erleben nur davon profitieren wird.
Probiers aus!
Zum Schluss gebe ich dir als kleine Zusammenfassung eine Schritt für Schritt Anleitung zum selbst ausprobieren:
1. Berühre und stimuliere dich selbst oder lass dich von einem Menschen deiner Wahl verwöhnen.
2. Atme tief und entspannt in dein Becken hinein.
3. Nimm die Empfindungen in deinem ganzen Körper wahr.
4. Wenn sich deine Erregung steigert, spüre, ob sich dein Körper irgendwo anspannen möchte.
5. Falls ja, lass wieder los und atme tief.
6. Beobachte deine Lust, wie fühlt sie sich an? Wo in deinem Körper befindet sie sich? Bewegt sie sich?
7. Nimm auch in allen anderen Körperregionen wahr, was da passiert.
8. Sobald du merkst, dass Anspannung aufkommt, entspanne dich wieder ganz bewusst.
9. Verbinde dich mit deinem Herzen und spür die Verbindung deines Beckens zu deinem Herzen.
10. Überprüfe, ob du durch irgendwelche Gesten deine Lust mit Anstrengung zu beeinflussen versuchst.
11. Falls ja, entspann dich wieder und nimm wahr, was jetzt da ist.
12. Mach Pause mit der Stimulation und beobachte einfach, was passiert und wie sich die Empfindungen durch dich durch bewegen.
13. Wenn sich deine Lust zu einem Orgasmus steigert, vertiefe und verlangsame deine Atmung nochmals ein Stück und lass sie ganz bewusst in dein Becken fliessen.
14. Nach dem Orgasmus: Bleib mit deiner Aufmerksamkeit in deinem Körper, atme weiter tief und lass dich ganz bewusst von deinen Empfindungen nähren.
Mische und wiederhole alle diese Schritte nach Belieben.
All dies mag auf den ersten Schritt ganz einfach klingen. Oftmals ist es jedoch ein tiefer Eingriff in unsere Gewohnheiten und Konditionierungen. Sei daher geduldig mit dir, wenn es nicht gleich funktioniert. Dein Körper muss was Neues lernen und das geschieht nur mit Zeit und Wiederholung. Denn so hast du ja deine Konditionierungen auch aufgebaut, oder? Über lange Zeit und mit vielen Wiederholungen.
Ich wünsche dir auf jeden Fall viel Freude bei deinen neuen Entdeckungen deiner Lust und vielleicht auch deines ganzen Wesens. Denn in unserer Sexualität sind Geheimnisse über alles Aspekte des Lebens verborgen.
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